Liebescamp im Schneesturm

Der große abgeschlossene Roman von Claudia und I.H.D.E.

 

Veronica hatte die Nase voll. Seit 5 Stunden saß sie nun schon mit Horst auf der Almhütte fest und der Schneesturm nahm kein Ende. Dabei hatte sie noch dagegen protestiert, bei dem sich zusehends bewölkenden Himmel zur Bergspitze aufzubrechen. Aber Horst - typisch Mann - tat alle Einwände mit einem Schulterzucken ab.

Erst jetzt, in der Einsamkeit der Hütte, fiel ihr auf, wie unattraktiv er mit seinen 40 Jahren, dem Doppelkinn und dem Überbiss auf sie wirkte. Sie wollte grade das vierstündige Schweigen brechen und mit ihm über ihre gemeinsamen Interessen reden, als die Tür aufflog, und eine in einen dicken Schneeanzug gehüllte Gestalt eintrat.

Obwohl der Eindringling nicht erkennbar war, sah Veronica auch durch den dicken Anzug seinen muskulösen Körperbau und die schmalen Hüften. Veronika durchzuckte ein kalter Schauer. Wer war dieser Eindringling, der Nachts durch die verschlungene und einsame Bergwelt streifte? Fröstelnd dachte sie an die Kälte draußen. Ein scharfer Luftzug schnitt durch das vom Lagerfeuer erwärmte Wohnzimmer.

Horst blickte kaum von seiner Fußballzeitschrift auf, sein eklig-feuchter Zigarrenstummel glimmte im Aschenbecher. Veronica erhob sich geschmeidig von ihrem warmen Platz am Kamin und trat auf den Fremdling zu. Er schien schon geraume Zeit in der Dunkelheit herumgeirrt zu sein, denn sein Körper bebte vor Kälte.

Freundlich wies sie ihm einen Platz am Kamin zu und deutete ihm an, seine durchweichten Kleider abzulegen. Dankend nahm der Fremde an. Während er sich behende auszog, gewann Veronica einen vollständigen Eindruck von seiner Erscheinung.

Kurz wandte sie ihren gebannten Blick auf Horst: er saß verquollen im Sessel, strich hin und wieder über seinen gewölbten Bauch und schien den Fremden nicht zu bemerken. Der Fremdling warf Horst einen wissenden, mißbilligenden Blick zu und strahlte mit seinen blauen Augen Veronica an. "Verdammtes Mistwetter", schnaubte er. Und dann: "Ich war gerade auf Bärenjagd, als mich der Sturm überraschte."

Veronica nickte gebannt und sagte mit einem schmachtenden Augenaufschlag: "Aha!"

"Mein Name ist übrigens Luigi."

"Ich heiße Veronica."

Graziös pellte Luigi seinen makellosen Athletenkörper aus dem schweren, nassen Anzug und lies sich, nur noch mit einem Slip bekleidet, bibbernd vor dem Kamin nieder. Sofort riß Veronica die Decke, die Horsts Beine bedeckte, aus dem Sessel und legte sie Luigi zärtlich um die breiten Schultern.

Horst winkelte daraufhin ein Bein an und begann, sich an den dicken Füßen zu polken. Von Luigi nahm er keine Notiz.

Veronica machte es sich neben Luigi bequem. Dieser starrte zunächst versonnen ins Feuer, drehte sich nochmals zu Horst um und fragte: "Ihr Mann?".

"Ja", gab Veronica kleinlaut zu.

Sie schämte sich des aufgedunsenen Körpers dort auf dem Sessel und wollte gerade zu einer Erklärung ansetzen, als ihr Luigi besänftigend seine Hand auf den Unterarm legte.

Er blickte sie jetzt direkt an und der Blick ließ mit einem Mal den Schnee schmelzen. Fast konnte sie die Geräusche des Frühlings draußen hören und sah vor ihrem geistigen Auge ein kleines Rehkitzlein, daß den Tau von den Blättern leckt und mit seinen tiefbraunen Augen ängstlich dem neuen Tag entgegenblickt.

Da sagte Luigi: "Sie haben sehr schöne Augen"

Verschämt senkte sie den Blick.

"Fast wie ein Reh", fuhr er fort und ein Schauer durchzuckte Veronicas Körper.

Schnell warf sie einen Blick auf Horst. Seine schlaffe Körperhaltung hatte sich noch nicht geändert.

Sie schaute jetzt zurückhaltend auf den sich langsam wärmenden Körper. Das lodernde Feuer malte erregende Schatten auf Luigis Oberkörper, seine muskulösen Arme und seine Schenkel.

Versonnen blickte er in das Knistern - ein Schauer floß durch und durch; durch ihre Adern. Luigi lächelte sie warm an. Seine vollen Lippen schienen Worte zu formen, die er aber nicht aussprach. Veronica stand auf und ging in die Küche, um einen heißen Grog zu bereiten, damit Luigi sich nicht erkältete.

Was war bloß auf einmal mit ihr geschehen? Schon seit langer Zeit hatte sie dieses Gefühl - das gewisse Kribbeln im Bauch - nicht mehr gespürt. Nachdenklich stand sie über dem Herd, füllte zwei Gläser - Horst haßte gemütlich warme Abende vor dem Kamin, diese Zeit schien schon so unendlich lange her zu sein - und ging zurück zu ihrem Platz. Luigi bedanke sich mit einem warmen Lächeln und lehnte sich zurück. Er lag nun so vor ihr, daß ihr gar nichts anderes übrig blieb, als ihn anzusehen. Da lag er vor ihr, auf dem Boden, mit fast entblößtem Körper und leise lächelnd.

Wieder zwang sie sich, zu Horst zu blicken. Doch der war ungehört aufgestanden und wohl ins Bett gegangen. Wie immer lag noch der Zigarrenstummel auf dem Tisch und verbreitete einen unangenehmen Geruch - doch in diesem Moment schien es sie nicht zu stören.

"Es ist sicher aufregend, auf so einer Bärenjagd!?", versuchte sie den zaghaften Versuch einer Unterhaltung.

"Nicht halb so aufregend, wie mit so einer schönen Frau hier vor dem Feuer zu liegen."

Er richtete sich auf um sie näher an sich heranzuziehen.

In diesem Moment wälzte Horst seinen massiven Körper in das Zimmer, warf einen uninteressierten Blick auf die Szene am Kamin, rülpste und hinkte in die Küche. Unangenehm platschenden seine schweißigen Plattfüße auf dem sauberen Boden. Auch Horst trug nun nur noch eine Unterhose und ließ damit den direkten Vergleich zwischen seinem und Luigis Körper zu. Auch Luigi hatte sich umgedreht und Horsts ungewaschene Unterhose bemerkt. Er wirkte peinlich berührt, als Horst popelnd im Schlafzimmer verschwand.

Pikiert wandte sich Veronica ab, Schamesröte schoßtet ihr ins Gesicht. Als hätte Luigi ihre Gefühle erraten, strich er ihr behutsam über den Arm. Langsam fuhr er aufwärts zu den Schultern und berührte ihr frischgewaschenes, langes, braunes Haar. Veronica wagte kaum, ihn anzusehen, ihr Blut pulsierte heftig in den Schläfen und ihr Herz raste. Luigi wanderte nun langsam über ihren Rücken und fuhr behutsam unter ihren Pullover.

Veronica war sich ihrer Lage durchaus bewußt, nebenan lag Horst, wahrscheinlich schnarchend anzutreffen und neben ihr die lebendig-fleischige Sünde.

Ein schmachtender Seufzer entglitt ihren roten Lippen und ihre samtig langen Wimpern senkten sich. Noch immer hatte Luigi kein Wort gesprochen - doch sie spürte, daß in diesem Moment Worte keine Bedeutung mehr hatten. Trotzdem wandte sie sich von ihm ab und griff zu ihrem Glas. Schweigend tranken beide den dampfenden, starken Grog. Der Trunk wärmte ihre Körper und Veronica schaute sehnsüchtig zu Luigi. Der schenkte ihr einen vielsagenden Blick und stieß dann hervor: "GROG!"

Sofort eilte sie behende in die Küche und schenkte nach.

 

 

... 10 Grogs später torkelte sie erneut aus

der Küche, lächelte einen der beiden Luigis unsicher an und fragte: "Brfsm?"

Schweigend griff Luigi zunächst in die Luft, nahm ihr dann die Tasse aus der Hand und kippte das inzwischen lauwarme Getränk in einem Zug runter. Veronica kroch zum Radio, fand den Einschalter und schon tönte: "Caramba, Karacho ein Whisky" durch die Hütte.

Vom plötzlichen Lärm überrascht stampfte Horst teilnahmslos ins Zimmer, um gerade noch wahrzunehmen, wie Veronica geräuschvoll in seinen geliebten Kegelpokal erbrach.

Plötzlich schien Leben durch Horsts unmuskulösen, schlaffen Körper zu gleiten. Er stürzte auf Veronica zu, entriß ihr den Pokal, um zu retten, was noch zu retten war. Luigi, die Situation verkennend, grunzte ein undeutliches "Grog". Da niemand ihn beachtete, stand Luigi unsicher schwankend auf und taumelte in die Küche, um seinem Körper weiteren Alkohol zuzuführen. Er riß die letzte Dose Holsten-Export auf und zog sie weg. Luigi, der umnebelt überlegt, wo wohl weiterer Alkohol versteckt sein könnte, schraubte gerade hoffnungsvoll eine Flasche Spiritus auf als Horst mir dem schwappenden Pokal in die Küche stolperte.

Luigi prostete ihm aufmunternd zu.

Die Spiritusflasche noch in der Hand griff er grinsend und sabbernd in Horsts Richtung und entriß ihm den Pokal. Horst schaute mit seinen 40 Jahren das erste mal wirklich ungläubig, wie Luigi den noch warmen Pokal ansetze und mit einem Zug herunterstürzte. Horsts Magen revoltierte und mit einem gewaltigen Schwall spie er die vor dem Aufstieg genossene Entenkeule mit Apfelrotkohl über Luigis Astralkörper. Luigi erfaßte mit einem Mal die Situation und kotzte spontan über Horsts linke Schulter gegen das Küchenfenster.

 

Der Schnee begann zu schmelzen.

 

Veronica schwoofte währenddessen schwungvoll gegen die Wand.

Horst grapschte angewidert mit seinen schlaffen Fingern nach dem Pokal. Beglückt trug er die nun entleerte Trophäe siegessicher ins Schlafzimmer. Luigi, von den Gegebenheiten unbeeindruckt, stürzte seinen vollgesifften Körper vorwärtsschleudernd in Veronicas Arme.

Angewidert stieß ihn Veronica von sich. Der Geruch des Erbrochenen und die diversen Grogs hatten ihre Begierde erlöschen lassen. Luigi zitierte noch im zusammensinken das alt-italienische Sprichwort: "Saufen am Abend, erquickend und labend!"

Erbost wies Veronica ihm die Tür. Als Luigi nicht verstand, packte ihn Veronica kurz entschlossen unter den Achseln und zerrte ihn in den Schnee.

 

...

 

Sie erwachte mit einem furchtbaren Kater neben Horst. Gemeinsam verließen Sie die Hütte, um etwas frische Luft zu schnappen.

Versonnen lehnte Veronica ihren Kopf an Horsts fleischige Schulter. Lächelnd betrachteten beide den in der aufgehenden Sonne blaß wirkenden Leichnam Luigis direkt vor der Berghütte an.

Irgendwo schrie ein einsames Käuzchen.

"Ich liebe dich", hauchte Horst.

"Ich liebe dich auch", erwiderte sanft Veronica.

 

(c) Claudia & I.H.D.E. - Cap Ferret 1996

 

 

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